Sechste Station: Die Bretagne (extended Version: Cap Sizun)
Am 18.08.2017 wollten wir eigentlich
die Bretagne verlassen und weiter die Atlantikküste runter nach
Süden fahren. Aber Pläne sind da um über den Haufen geworfen zu
werden, oder?!
Irgendwie hatten wir das Gefühl etwas
zu verpassen, wenn wir jetzt schon die Bretagne verließen. Zudem uns
die Landschaft mit den Klippen und kleinen bretonischen Dörfern mit
ihren grauen Steinhäusern so gut gefiel. Also suchten wir uns am
nächsten Abend einen neuen schönen Ort in der Bretagne aus, der
max. drei Stunden Fahrt benötigt und unsere Folgestrecke gen Süden
nicht allzu sehr verlängert. Da die Bretagne eine sehr zerklüftete
Küste hat, finden sich an jeder Ecke spannende Küstenabschnitte mit
kleinen Buchten und Dörfern. Unsere Wahl fiel auf einen der
westlichsten Punkte Frankreichs: das Cap Sizun. Dieser Landzipfel
schien uns ruhig genug um ein paar weitere Tage an der Atlantikküste
zu verbringen.
Zudem haben sich die Kriterien für
unsere Campingplatzsuche verändert: wir suchen nun nach kleinen
Plätzen mit ca. 50 Stellplätzen, maximal zwei Sternen und ohne die
Entertainmentpark-Anlagen, welche all die lauten Großfamilien
anlocken. Nichts gegen Großfamilien, aber auf diesem Campingplatz
haben wir mal wieder festgestellt, dass all die
Kinderbespaßungseinrichtungen eher einfach gestrickte Familienclans
anlocken, die den lieben langen Tag die Zeit auf ihrer Parzelle
(oftmals gleich neben den Sanitärblöcken) absitzen und den
lärmenden übergewichtigen Nachwuchs mit ihren Fahrrädern und
anderem überflüssigen Spielzeug auf die Spielplätze abschieben. Da
dies nicht unsere Art des Reisens ist, werden wir uns demnächst eher
die kleinen Plätze abseits der Ferienhochburgen suchen.
Und da Matthias ein goldenes Händchen
bei der Recherche hat, fanden wir direkt das was wir gesucht hatten:
einen Platz nahe dem Ort Plouhinec bei dem mir gleich bei der
Anmeldung gesagt wurde, dass wenn wir lärmende, ballspielende Kinder
hätten gleich wieder abfahren könnten. Der kleine Campingplatz am
Cap Sizun hatte sich tatsächlich auf die Fahne geschrieben ein Platz
für Ruhesuchende zu sein und Familien bei der Anmeldung erstmal zu
den Regeln zu belehren. Der gute Herr sprach nur Französisch, aber
ich verstehe ja besser als ich spreche und dachte mir am Anfang, dass
es echt krass ist das Ballspielen zu verbieten und Familien mit
Kindern lieber die Weiterfahrt zu empfehlen. Auch da wir ein Baby
haben, dass nun manchmal schreit und nicht wie Annika auf uns hört,
ging mir durch den Kopf, aber ich sagte trotzdem zu und bezahlte die
drei Nächte gleich im Voraus.
Und es war eine gute Entscheidung: wir
waren die einzige Familie mit kleinen Kindern und es lag eine
wirklich sehr entspannende Ruhe auf dem Platz. Wir hatten Blick auf
den Atlantik und hörten die Wellen rauschen. Ein Traum! Wir gingen
gleich mal runter zum Strand und freuten uns über den weißen
Sandstrand, der mit einigen Felsen aufgelockert war. Für den
nächsten Tag nahmen wir uns vor zum westlichsten Punkt des Cap, dem
Pointe du Raz, zu fahren und den dortigen Leuchtturm sowie die
Klippen anzuschauen.
Leider war es dieses Mal nicht eine
unserer besten Entscheidungen. Am Pointe du Raz erwartete uns ein
riesiger (und teurer) Parkplatz sowie Touristenabzocke mit
Souvenirläden und Restaurants vom Feinsten. Eigentlich hätten wir
gleich umkehren sollen, aber nun waren wir einmal dort und irgendwie
auch neugierig, wenn die dort schon so einen Aufriss betreiben. In
Étretat waren ja auch viele Menschen, aber es verlief sich und war
trotzdem schön. Hier hielt sich unsere Begeisterung jedoch in
Grenzen, Die Klippen waren abgelatscht und der Ausblick war ganz
schön, aber es riss uns nicht vom Hocker. Ich versuchte auf den
Fotos so wenig Menschen wir möglich aufzunehmen und nach wenigen
Bildern entschieden wir uns an einem etwas abseits gelegenen Stein
unser Mittagspicknick zu machen. Ach so, ich vergaß zu erwähnen,
dass wir vorher noch in Audierne stoppten und bei einem Bäcker
vermeintlich köstliche lokale (teure) Leckereien kauften um sie uns
nun schmecken zu lassen. Es sah zwar lecker aus, war aber ziemlich
geschmacksneutral und die süßen Teilchen das wohl Widerlichste was
ich je gegessen habe. Fettig ist kein Ausdruck. Klebrig wie Hölle.
Übersüß wie sonstwas. Nicht mal die Möwen wollten etwas abhaben
und das hat schon einiges zu sagen. Ich frage mich echt wie Matthias
das runterwürgen konnte. Er bot mir fünf Euro wenn ich es aufesse
und ich habe es echt versucht, kapitulierte aber dann am übersüßen
Fettschwamm. Hinterher war mir erstmal ne ganze Weile schlecht.
Wir nahmen uns vor auf dem Rückweg
irgendwo an der Küste auf gut Glück anzuhalten um den Atlantik und
die Küstenregion abseits der anderen Touristen genießen zu können.
Nichts gegen Touristen, wie sind ja selbst welche, aber zu große
Ansammlungen unseresgleichen versuchen wir einfach zu vermeiden. Und
diesmal hatten wir wieder Glück. Ein menschenleerer verlassender
Hafen erwartete uns und ein Wegweiser, der einen schmalen
Küstenwanderweg ausschilderte. Jackpot!!! Genau unser Ding: wir
lieben schmale Wanderwege. Also Nuff in die Kraxe gesteckt, Annika an
die Hand genommen und los geht’s! Da es mittlerweile schon später
Nachmittag war, stand die Sonne schon etwas tiefer und alles wurde in
warmes Licht getaucht. Wir liefen rund zwei Kilometer auf den Klippen
entlang und kamen dann an ein einsam stehendes altes Häuschen,
welches eine geniale Lage hatte. Das Haus und vor allem sein Bewohner
machten uns neugierig. Ein alter Mann reparierte gerade die
Türschwelle und seine beiden Hunde schnupperten neugierig an unseren
Hosenbeinen. Ich sprach ihn einfach an und fragte ob er hier wohne.
Er antwortete, dass er eigentlich im Dorf wohnt, aber auch öfter
hier ist und sich darum kümmert das Häuschen in Schuss zu halten.
Er fragte sogleich ob wir eintreten möchten um uns das Haus
anzuschauen. Bei so einer Einladung sagen wir natürlich nicht Nein
und traten ein. Er erzählte, dass seine Tür fast immer offen stehe
um Wanderern eine Unterkunft zu bieten. Ich war begeistert! Es war
einfach eingerichtet mit einem großen Tisch in der Mitte, einer
kleinen Kochgelegenheit und einer Holztreppe die nach oben führte.
Er erzählte mir, dass er auch manchmal im Winter hier oben sei und
der Kamin dafür sorge, dass es schön warm wird. Auch
Übernachtungsgäste können im Obergeschoss jederzeit schlafen. Ich
war ja sowas von inspiriert!!! Er stellte sich mit Pierre vor und ich
fragte ob ich ein paar Fotos von ihm machen dürfte, denn er hatte
ein wirklich sehr interessantes Gesicht und dann noch in Kombination
mit seinem Häuschen – das macht eine tolle Fotogeschichte. An
einer Wand hingen lauter handgeschriebene Zettel. Er erzählte mir,
dass es größtenteils Danksagungen von Gästen sind, die in seinem
Haus Unterschlupf vor dem Wetter gefunden haben. Ich las mir einige
Zettel durch, auch ein paar deutsche Texte und sogar einer auf
japanisch waren dabei. Wir verabschiedeten uns wieder und waren sehr
dankbar für die inspirierende Begegnung. Da hat mir mein
Französischkurs echt was genützt. Wir liefen den Küstenweg zurück
und aßen am Wohnwagen mal wieder unsere leckeren Nudeln.
Am 20.08.2017 gönnten wir uns einen
Ruhetag. Eigentlich war es so nicht geplant, wir wollten ursprünglich
nach dem Frühstück eine Strandwanderung machen, aber die Müdigkeit
übermannte uns, so dass Nüffchen nach dem Essen an meiner Brust
einschlief und wir sogleich die Gelegenheit nutzten um auch etwas zu
dösen. Annika war zwar nicht nach Schlafen zumute, sie sammelte aber
Blüten und Blätter in ihren Becherchen und spielte in aller Ruhe
auf der Decke. So verging der Tag und wir sagten zwar immer wieder,
dass wir nun aufstehen und zum Strand gehen würden, aber daraus
wurde bis zum späten Nachmittag nichts. Erst gegen 17 Uhr waren wir
am Strand und vertraten uns etwas die Beine, saßen auf einer Bank
und philosophierten über Fotografie und kehrten alsbald zum
Abendbrot zurück zum Wohnwagen. Am nächsten Tag wollten wir die
Bretagne dann wirklich verlassen und weiter Richtung Süden unterwegs
sein.
Das einsam stehende alte Häuschen ist ein Traum!
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