Neunte Station: Die Pyrenäen I (Lac du Barbat)


Endlich Berge! Flachland adé, nun heißt es wieder Wandern und Bergluft schnuppern. Wir lieben die Berge, insbesondere das Hochgebirge und in den Pyrenäen waren wir noch nie. Schon zu Hause hatte ich hier einen schönen Naturcampingplatz gefunden, der fast am Ende eines ruhigen Tales liegt - in der Hoffnung dort Natur pur zu finden. Eine ganze Woche war in den Bergen geplant.

Auf dem Weg mussten wir herzhaft Lachen, denn vor uns fuhr ein roter Honda und Matthias sagte plötzlich: "Das ist ja gruselig, die vor uns haben da ein merkwürdiges Kissen im Auto. Sieht aus als hätten die es mit einem Gesicht bedrucken lassen." Ich hatte es noch gar nicht bemerkt, da ich hinten bei den Kindern saß. Da sagte Matthias: "Es hat sich bewegt. Das ist gar kein Kissen, das ist ein alter Mann. Die haben den Opi in den Kofferraum gesetzt!" Ich wollte es gar nicht glauben, sah es dann aber selbst. Der Wagen war voll besetzt mit Fahrer, Beifahrer und drei Kindern auf der Rückbank. Da blieb für den armen Opi wohl nur noch der Kofferraum übrig. Wir mussten jedenfalls sehr lachen, insbesondere wegen des Eindrucks eines Kissens. Als der Wagen abbog, winkte Matthias und der Opi gab ein Peace-Zeichen zurück.


Am Zielort angekommen, überzeugte uns der Campingplatz sofort. Eines der typischen Natursteinhäuser bildet den Mittelpunkt und die Stellplätze sind groß und ruhig. Und das Schönste war der Blick auf die Berge. Da bekamen wir sofort Lust uns die Wanderschuhe anzuziehen. Doch damit mussten wir wohl bis zum nächsten Tag warten.

Beim Frühstück sprang unser Herz schon höher, denn Amseln, Kohlmeisen und Rotkehlchen statteten uns abwechselnd einen Besuch ab. Wie wunderschön so naturnah frühstücken zu können. Wir planten bis zum Ende des Tals (es ist wirklich eine Sackgasse), dem Lac d'Estaing, zu fahren und dort den Einstieg in irgendeinen Wanderweg zu wagen. Das machen wir nämlich gerne, einfach loslaufen, ohne Karte, und zu schauen wo wir am Ende landen. Damit haben wir bisher oft gute Erfahrungen gemacht, da uns die Landschaft dann immer überrascht. Außerdem gibt es ja noch Wegweiser...
Schon bei der Anfahrt zum See entdeckten wir einen schmalen Pfad, der sich in den Wald hochwindete. Wir ließen also den breiten Weg am Parkplatz, den die meisten Wanderer nahmen, außer Acht und stapften in den Wald. Ich muss dazu sagen, dass die Berge hier gleich recht steil beginnen und wir schon nach wenigen hundert Metern richtig ins Schwitzen gerieten. Unten war ein Bergsee mit 2h45 ausgeschildert, so dass wir also insgesamt mit ca. 5-6 Wanderstunden rechneten, da Annikas Beinchen ja etwas kürzer sind als unsere und wir natürlich auch eine längere Rast am Ziel einlegen wollten. Oberhalb der Baumgrenze gelangten wir in ein Tal in dem Kühe, Pferde und Esel auf den schrägen Hängen grasten. Bisher waren wir nur einem Wanderer beim Abstieg und einer Gruppe Downhill-Mountainbikern begegnet, die den schmalen Waldweg herab rasten. 

In der Ferne, ganz am Ende des Tals erspähten wir eine Hütte und setzten uns zum Ziel mindestens diese Hütte als unseren Rastpunkt zu erreichen. Der Weg war wirklich sehr kräftezehrend und ging stetig bergauf. Dazu muss ich sagen, dass wir ja auch nicht mit leichtem Gepäck unterwegs sind. Matthias trägt Jakob in der Kraxe, die zudem noch mit leichteren Sachen wie Windeln und Regenjacken beladen ist. Ich trage den Kamera-/Wanderrucksack, der natürlich immer meine Kamera und ein Wechselobjektiv enthält. Zudem obliegt mir die Verpflegung, d.h. ich trage zudem zwei Liter Saftschorle, eine Thermoskanne (1l) mit heißem Wasser zum Aufwärmen von Jakobs Brei, dann natürlich der Babybrei selbst und für Annika und uns ein halbes belegtes Baguette, geschnittenes Obst, Würstchen, Kekse und manchmal auch noch Fruchtquetschies und Muffins. Obendrein noch Kleinkram wie Handy, Portemonaie, Feuerzeug, Pflaster sowie Sonnenmilch und die Hütchen sowie Jacken der Kinder. Alles in allem sind wir immer so gut ausgerüstet, dass für jede Wetterlage etwas dabei ist, denn in den Bergen kann das Wetter ganz schnell umschlagen. Auch wenn es kindisch klingt, aber für mich spielt immer ein Survival-Gedanke mit und ich liebe es gut ausgestattet zu sein, so dass man im allergrößten Notfall auch eine Nacht in einer Hütte oder unter einem Felsvorsprung verbringen kann. Ist so ein Faible von mir, aber macht mich glücklich und dann schleppe ich mich gerne damit ab.








Jedenfalls zog sich der Weg zur Hütte in der Ferne sehr und wir waren froh über den bedeckten Himmel, denn bei praller Sonne hätten wir es wohl nicht ausgehalten. Annika hatte ein, zwei Momente in denen sie sagte sie möchte nicht mehr, aber wir motivierten sie stets, dass es nun wirklich nicht mehr weit sei und wir nur noch den nächsten Vorsprung erklimmen müssten und dann wären wir da. Natürlich folgten mehrere "Gleich sind wir da" und "Wir haben es fast geschafft", aber der Weg ist das Ziel und die Anhöhe war bald erreicht. Zuvor füllten wir noch unsere Trinkflaschen am eiskalten Bach, wuschen unsere Gesichter und Annika trank vom Bächlein wie ein kleines Kätzchen - sehr süß.


Bei der Hütte stand sogar noch eine Zweite, nur leider war der See nicht mehr ausgeschildert und wir dachten wohl doch beim Aufstieg falsch abgebogen zu sein. War uns in dem Moment aber auch egal, da die Aussicht uns fesselte und wir alles um uns herum, insbesondere die Ruhe, sehr genossen. Apropos Ruhe, kurz vorm Ziel hörten wir hinter uns plötzlich ein sehr lautes mehrfaches Pfeifen und ich dachte im ersten Moment da pfeift ein Mensch. Ich sah aber niemanden, drehte mich wieder um und schon pfiff es erneut. Ich blickte wieder zurück und sah auf einem Fels ein Murmeltier sitzen. Wow, ich habe wirklich noch nie ein Murmeltier (Marmott) in freier Wildbahn gesehen und wusste auch nicht, dass sie so laut pfeifen können. Ein weiterer Glücksmoment auf unserem Weg.










Bevor wir Rast machten, inspizierten wir die Hütten, denn an ihnen Stand geschrieben "Caban de Berger". Dies waren also die typischen Notunterkünfte der Berger, wie die Viehhirten der Pyrenäen hier genannt werden. Die Blechhütte war offen, war aber sehr schäbig mit zwei fleckigen Matratzen auf alten Bettgestellen und vollgekritzelten Wänden. Die zweite war verschlossen, wahrscheinlich war das die richtige Hütte der Berger.



Wir suchten uns ein paar flache Steine in der Umgebung und aßen hungrig unseren Proviant. Eine Rast mit spektakulärer Aussicht - was will man mehr? Da hat sich das Schleppen der Leckereien definitiv gelohnt. Leider fanden wir keinen weiteren Wegweiser zu dem Bergsee, so dass wir erst später erfuhren, dass uns nur 15 Minuten weiterer Wanderweg davon trennten. Es wäre sicherlich schön gewesen, aber auch unser Rastplatz war toll und in dem Moment waren wir auch reif für eine Pause.




Nach dem Essen und einigen Fotos, es war nun mittlerweile schon nach 16 Uhr, machten wir uns auf den Rückweg. Da es bergab bekanntlich schneller geht, meisterten wir den Abstieg in ca. zwei Stunden. Beim Aufstieg bin ich leider meist etwas fotofaul, da es zu anstrengend ist auch noch die Kamera um den Hals hängen oder in der Hand zu haben. Beim Abstieg jedoch fällt mir das Fotografieren definitiv leichter.





Wir kamen mit schmerzenden Beinen, aber super glücklich wieder unten am See an und freuten uns auf eine heiße Dusche. Annika sprachen wir unser größtes Lob aus, denn wir waren sehr stolz auf sie, dass sie ohne Bocken und Murren den Berg mit uns erklommen hat, wir schätzen es war eine Wanderung um die 20 km. Wir mussten nicht mal Lockmittel wie Süßigkeiten oder andere Versprechungen anbringen. Und das hat bei einem fünfjährigen Kind schon einiges zu bedeuten. Annika ist zwar zart, aber echt zäh und das lieben wir an ihr.


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